Unser ehemaliges Vorstandsmitglied Willy Germann moniert die desolate Situation des ÖV in Winterthur – seiner Meinung nach so desolat wie in keiner anderen Schweizer Stadt. Der ehemalige Zürcher Kantonsrat und auch Mitglied der kantonsrätlichen Verkehrskommission hinterfragt die städtische Verkehrsplanung in seiner Stadt. Doch lesen Sie selbst im beiliegenden Beitrag der Winterthurer Zeitung.
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«Elektronik vor Beton» hiess 2005 ein Postulat im Zürcher Kantonsrat. Inhaltlich geht es beim Tramnetz Süd zwar um etwas ganz anders, aber ideell hat es miteinander zu tun. Die von den VBZ an der Jahresmedienkonferenz vom 5. Dezember 2023 vorgestellten Änderungen und Optimierungen kommen zunächst ohne oder minimalen Infrastrukturausbauten aus. Mit den Tramlinienänderungen erhöht sich kurzfristig ab 2026 die Kapazität auf der Achse Stadelhofen – Rehalp. Hier werden dann die grösseren, Tiefeinstieg-Fahrzeuge wie Cobra und Flexity zum Einsatz kommen. Von den 110 bestellten Flexity-Trams sind Ende dieses Jahres 55 Fahrzeuge auf der Schiene (30 weitere geplant). Die Kapazitätserhöhnung hat mit dem Ausbau des Spitalquartiers zu tun, u.a. auch mit dem neuen Kinderspital in der Lengg, das Ende 2024 eröffnet wird. Damit wird auch ein optimierte Linienführung angestrebt, was eben zu teils geänderten Tram-Nummern führt. Es legt aber auch eine gute Grundlage für das Tramnetz 2040. Mittelfristig führt das Tram Affoltern – geplanter Baustart 2026 – zu einer öV-Aufwertung von Affoltern. Mit der Netzentwicklungstrategie 2040 wird diese Tramstrecke Richtung Bahnhof Stettbach verlängert. Ein erweitertes öV-Ringsystem mit Tramtangenten wird dann das Zürcher Stadtzentrum entlasten. Damit werden u.a. auch die Eigenbehinderungen des Trams am Hauptbahnhof vermindert.
Ende 2018 schrieb die IGöV Zürich «Die Glattalbahn zieht es weiter» und Ende 2020 «Glattalbahn-Verlängerung geht voran». Gegen Ende 2023 nun der Baubewilligungs-Antrag (Plangenehmigungsgesuch) beim Bundesamt für Verkehr (BAV) für die Verlängerung der Glattalbahn bis Kloten. Das veranlasste die VBG, das Projekt an der Medienkonferenz vom 31. Oktober detailliert vorzustellen. Voraussichtlich wird die verlängerte Glattalbahn ab 2031 ins Entwicklungsgebiet von Kloten an der Grenze zu Bassersdorf fahren. Frühster Baustart soll 2026 sein. Mindestens dreizehn Jahre also für weitere rund 3.3 Kilometer Trambahn. Als der Regierungsrat 2018 grünes Licht gab für das Vorprojekt, sprach man von einer Betriebsaufnahme 2027 – nun soll es 2031 sein. Das zeigt einmal mehr, dass Infrastrukturbauten keine Schnellprojekte sind und der Planungsprozess oft mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Bauphase. Das Gesamtprojekt umfasst die Verlängerung der Glattalbahn (gut 300 Millionen), den Hochwasserschutz (knapp 150 Millionen) und die Velo- und Fusswegroute (rund 100 Millionen) – total also 550 Millionen Franken. Finanziert wird das ganze Projekt durch den Kanton Zürich mit nun zugesagten Bundesmitteln aus dem Agglomerationsprogramm 4. Generation. Die Projektleitung für die Glattalbahn liegt bei den VBG, diejenige für den Hochwasserschutz bei der kantonalen Baudirektion und die für die Velohauptverbindung beim kantonalen Tiefbauamt. Die IGöV Zürich teilt die Auffassung von VBG und ZVV, der Stadt Kloten und dem Kanton Zürich, dass die Weiterführung der Stadtbahn zentral ist für die Entwicklung vor allem für zusätzlichen Wohnraum in diesem Gebiet. Stadthaus Kloten, wo die verlängerte Glattalbahn vorbeifahren wird
Die ZVV-Strategie 2025–2029 zeigt: Es bleibt eng in diesem Zeitraum. Eng in Bahn, Tram und Bus. Bei der S-Bahn sind es die STEP 2035-Ausbauten wie MehrSpur Zürich-Winterhur (u.a. Brüttenertunnel) und viertes Gleis im Bahnhof Stadelhofen. Bei den Trambahnen sind es das noch in der Planung steckende Tram Affoltern und die Erweiterung der Glattalbahn. Diese Ausbauten sollen den öV stärken in Übereinstimmung mit den «raumplanerischen, verkehrs- und umweltpolitischen Zielsetzung des Kantons». Das es eng bleibt bis die entsprechenden Ausbauten und das Rollmaterial in rund 12 Jahren bereitstehen, betonen die Präsidentin des Verkehrsrates, Regierungsrätin Carmen Walker Späh, und der ZVV-Direktor Dominik Brühwiler an der Medienorientierung. Das hat einerseits mit den langen Vorlaufzeiten bei Infrastrukturbauten zu tun. Anderseits ist der Bahnverkehr weitgehend in der Verantwortung des Bundes. Aber auch die weiteren Tramausbauten werden nicht von heute auf morgen gebaut. Der weitere Ausbau der Zürcher S-Bahn wird mit der Fertigstellung der MehrSpur Zürich-Winterthur inklusive Bahnhof Stadelhofen die S-Bahn2G näher bringen – eine innere S-Bahn und eine Express-S-Bahn. Bei den Trambahnlinien sind die zeitlich am nächsten liegenden Ausbauten das Tram Affoltern und die Verlängerung der Glattbahn nach Kloten. Ab 2026 könnte der Bau dieser beiden Linien beginnen. Die Glattalbahn soll aber auch auf der anderen Seite der Spange weiterfahren: vom Bahnhof Stettbach über den Bahnhof Dübendorf, durch den Innovationspark im Flugplatz Dübendorf zum Bahnhof Dietlikon. Dieser Ausbau erfolgt abgestimmt auf die Tramtangente Nord in Zürich, STEP 2035 der Bahn und der Entwicklung im Innovationspark. Die Tramtangente Nord führt von Affoltern, über Oerlikon zum Bahnhof Stettbach. Ungeduldig kann man werden. Es zeigt aber klar: Infrastrukturprojekte sind Langzeitprojekte, die verzögerungsfrei ausgeführt werden sollen. Eines ist wichtig, will man bis 2040 den Modalsplit von heute 32% auf 40% steigern: der öV muss sicher, zuverlässig und pünktlich unterwegs sein. Gerade für den städtischen Tram- und Busverkehr ist das eine grosse Herausforderung im begrenzten Verkehrsraum. Ein Verkehrsraum, der mit Autos, Velos und Fussgängern zu teilen ist. Und ein Verkehrsraum, in welchem man immer weniger schnell unterwegs sein soll. Gerade hier gilt es, die Vorteile des Massentransportmittels öV zu betonen. Unnötige Autofahrten, Fahrräder auf Busspuren und flächendeckend Tempo 30 schränken den öV ein.
Wohl bald das Wort des Jahres? 'Dekarbonisiert' ist in der Schweiz der Schienenverkehr; Bahn und Tram 'hängen' am Strom. Der öffentliche Verkehr verantwortet zwar nur gut 3% der CO2-Emissionen des Gesamtverkehrs im Kanton Zürich. Trotzdem will der ZVV auch vor allem bei den dieselbetriebenen Bussen CO2-ärmer werden. Hier soll die ZVV-Dekarbonisierungstrategie konsequent umgesetzt werden. Die IGöV Zürich wird zu diesem Thema am 9. November 2023 ein Podium durchführen. Das Ende 2024 auch Schluss ist mit dem Billetverkauf in den Regionalbussen ist erfreulich. Bei einem ähnlich dichten Busverkehr wie in der Stadt Zürich sollen auch dieselben Regeln gelten. Dadurch werden die Fahrplanstabilität erhöht und verpasste Anschlüsse wegen Verspätungen minimiert. Sieben von zehn Tickets werden inzwischen digital gelöst. Dieser Trend wird sich fortsetzen und die Öffnung der Vertriebskanäle für «branchenfremde Akteure» ist genau zu beobachten. Es darf nicht sein, dass diese digitalen Akteure die Gewinne einsacken, Geld, das eigentlich zur Finanzierung des analogen/physischen Teils, also der Schienen und des Rollmaterials dient. Aber auch der Fernverkehr wird in der ZVV-Strategie erwähnt. Der nationale und internationale Fernverkehr fällt zwar nicht in die Kompetenz des ZVV. Er ist aber für die Anbindung der Metropole Zürich an andere in- und ausländische Grosstädte absolut zentral – und leider immer noch ein Stiefkind. Richtigerweise steht in der ZVV-Strategie zum Fernverkehr: «Für den nationalen und internationalen Fernverkehr ist der Grossraum Zürich von zentraler Bedeutung.» Auch dazu wird sich die IGöV Zürich noch äussern. Nachdem der Kostendeckungsgrad vom Spitzenwert 70% auf 57% während der Pandemie sank, will der ZVV diesen künftig auf über 60% halten. Optimal wäre, wenn dieser wieder auf den langjährigen Wert von rund 65% steigen würde. Dazu braucht es weiterhin den grossen Support durch die Politik. Trotzdem werden auch wir Fahrgäste tiefer ins Portemonnaie greifen müssen. Nicht nur im Jahr 2024 werden die Fahrpreise steigen, vermutlich auch in weiteren Jahren. Trotz unserem hochstehenden öV-Angebot gilt es Augenmass zu bewahren bei Preissteigerungen. Ein 49 €-Ticket soll aber nicht unsere Benchmark sein. In diesem Zusammenhang eine aktuelle Meldung des Hamburger Verkehrsverbund: Von den 960‘000 Abos seien 250‘000 von Neukunden mit dem 49 €-Ticket; rund 24% dieser Kunden hätte sonst das Auto benutzt. Sofern das zutrifft, muss sich das auch im Modalsplit niederschlagen. |
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